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Sarah Mondegrin    
Autorin und Schreibbegleiterin  
















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Haus

"Und wer hat gegenüber gewohnt?"

Links im Erkerhaus … dort lebte Franz Kafka im Herbst 1923. Bisher gab es kein Bild von dem Haus, das im 2. Weltkrieg zerstört wurde. Durch Zufall entdeckten wir die hochkopierte Postkarte im Gastraum des Lokals "Rothenburger" im August 2012:

Der 12. August 2012 war ein heißer Tag. Mein Kollege Olaf Tetzinski und ich hatten bei unserem literarisch-botanischen Spaziergang "Kafka in Grün" eine fußkranke Teilnehmerin. Schon mindestens zwanzig Mal waren wir seit 2011 gemeinsam an der Ecke Muthesius/Rothenburgstraße in Steglitz gewesen. Ich allein sogar noch öfter, da ich seit 2008 mit "Ohropax für Kafka" unterwegs bin. Noch nie hatten wir beim "Rothenburger", einem Eck-Lokal, gefragt, ob wir im Gartenbereich sitzen dürften. Ich wollte die Gäste mit unseren Ausführungen zu Kafka nicht beim Bier stören.

"Und wer hat gegenüber gewohnt?" rief der Wirt meinem Kollegen zur Begrüßung entgegen. Dann schob er noch lässig nach: "Ja, wir haben auch ein Bild von dem Haus!"

"Unglaublich", sagte ich, denn in keinem der Bildbände, die ich seit Jahren durchforste, hatte ich ähnliches gefunden. Sogar die richtige Straßenseite wusste ich erst seit kurzem, da die Historikerin Claudia Schoppmann für mich im Online-Adressverzeichnis nachgeschaut hatte. Seitdem war klar: genau gegenüber vom "Rothenburger" hatte "er" tatsächlich gewohnt, im September 1923.
Seiner Vermieterin, einer gewissen Frau Hermann, hat er mit dem Text "Eine kleine Frau", ein etwas zwiespältiges literarisches Denkmal gesetzt. Zu sehr hatte die Ur-Berlinerin den empfindsamen Gast aus Prag gequält, zum einen mit immer heftigeren Mietforderungen (zum Schluss bis zu einer halben Billion Reichsmark, schließlich befand man sich auf dem Höhepunkt der Inflation und die Stimmung war "mies mal Index") und auch vermutlich mit Bemerkungen zur "wilden Ehe" mit Dora Diamant, die täglich aus dem Scheunenviertel anreiste, um Kafka als Haushälterin zu versorgen.

Nach Prüfung des Bildes kamen wir zu dem Schluss: Nein, schöne Idee, aber das kann einfach nicht sein! Wenige Wochen später allerdings bestätigte Reiner Stach, der bekannte Kafka-Biograf, überraschend die Echtheit der Perspektive. Damit war es "amtlich": die Lücke zu fotografischen Nachweisen zu Kafkas Berliner Monaten ist geschlossen.

Mein Artikel hierzu ist unter dem Titel Das vergessene Haus im Tagesspiegel nachzulesen.